Der angekündigte "schwere Brocken" aus Suhl sollte sich
auch in einem dramatischen Spieltag als solcher erweisen. Beide Mannschaften
mußten für das wichtige Treffen im Kampf um die vorderen Plätze
leicht ersatzgeschwächt antreten. Der Verlierer scheidet im Kampf
um den möglichen Aufstieg wohl sofort aus, da hier der Rückstand
auf den Überflieger aus Breitungen zu groß werden dürfte.
Entsprechend vorsichtig begannen auch die meisten Partien. Bei Frank Jörges
an Brett 1, Peter Lehmann an Brett 3, Vera Latka und Jan Grube an den Brettern
5 und 6 sowie Ersatzmann Walter Friedrich an Brett 8 ließen sich
auch nach 2 Stunden noch keine großen Vorteile für eine der
Parteien ersehen. Siegfried Müller an Brett 2 konnte durch seine ausgefallene
Eröffnungswahl bereits frühzeitig seinen Gegner zu längerem
Nachdenken zwingen, was sich später bei komplizierterer Stellung als
sehr vorteilhaft erweisen sollte. Auch Uwe Rößner am 4. Brett
hatte sich verheißungsvoll aufgebaut und seinen jungen Gegenspieler
vor ziemliche Probleme gestellt. Recht schnell gelang hier ein Materialgewinn.
Unerfreulich dagegen war das Bild am 7. Brett, wo sich Joachim Grube mit
einer raffinierten Eröffnungsvariante seines aus taktischen Gründen
weit hinten eingesetzten starken Gegenspielers auseinandersetzen mußte.
Ein frühzeitiger Bauernverlust und eine offene Stellung waren die
Folge.
Bereits nach zwei Stunden wurden die ersten Resultate vermeldet. Latka
und Jan Grube remisierten mit ihren Gegnern. Hier waren die Partien jeweils
durch besonderen gegenseitigen Respekt gekennzeichnet und endeten nach
nur 20 Zügen. Etwas mehr Mut zum Risiko sollte angesichts der angestrebten
Saisonziele doch angebracht sein. Währenddessen mühten sich Jörges
und Lehmann mit ihren Stellungen. Beide Gegenspieler hatten mit den weißen
Figuren Druck entwickelt und konnten leichten stellungsmäßigen
Vorteil verzeichnen, der bei Lehmann in einem Bauernverlust mit nur unzureichender
Kompensation mündete. Ein Remisangebot lehnte sein Gegner folgerichtig
ab. Müller konnte dafür seine Stellung weiter verbessern und
seinen Gegner in eine ziemlich hoffnungslose Stellung drängen. Materialgewinn
war der Lohn.
Auch Rößner hatte mittlerweile eine sehr vorteilhafte Position
inne. Der Gegner war praktisch überspielt und mußte schließlich
den Verlust eines Turmes für eine Leichtfigur verkraften. Was dann
an diesem Brett passierte ist ein typisches Beispiel für eine psychologische
Folge. Man sieht auf dem Brett großen Materialvorteil und keine ernsthaften
gegnerische Drohungen mehr. "Nur" noch die technische Abwicklung in ein
sicheres Endspiel ist notwendig. In solch einem Augenblick fällt die
gesamte Anspannung der vorangegangenen drei Stunden vom Spieler ab. Jeder,
der schon einmal Wettkampfschach betrieben hat, wird diesen Effekt kennen.
In genau diesem Moment läßt die Konzentration nach, während
der Gegner verzweifelt nach Rettung sucht und nur auf eine Schwäche
lauert. Mit einem weiteren Bauernraub wollte Rößner die Abwicklung
forcieren. Leider übersah er, daß dann durch ein Läuferschach
sein Turm unrettbar verloren war. Somit war die Partie gekippt und aus
dem sicher geglaubten Punkt wurde einer für den Gegner.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Joachim Grube seinem überlegenen Konkurrenten
schon zum Sieg gratulieren müssen. Damit lag Lok nun einen Punkt hinten.
Dazu kam die verlorene Partie von Rößner. Suhl schien sicher
auf der Siegerstraße zu liegen, zumal sich auch noch Friedrich mit
Remis zufrieden geben mußte und Jörges mittlerweile in größeren
Schwierigkeiten steckte. Wenigstens konnte Lehmann langsam wieder ins Spiel
zurückfinden, da sein Gegner zu diesem Zeitpunkt nicht die besten
Züge fand. Lehmann konnte den verlorenen Bauern zurückgewinnen
und nun selbst versuchen, die Initiative an sich zu reißen, was angesichts
des auf dem Brett verbliebenen Materials sehr schwer sein sollte. Immerhin
lehnte er trotz enormen Zeitverbrauchs ein Remisangebot seines Gegners
ab.
Für ein kurzzeitig erfreulicheres Bild sorgte dann Müller,
der es sich sogar leisten konnte, seinen Gegenspieler langsam und sicher
zu zerlegen und den zwischenzeitlichen Ausgleich zu vermelden, der aber
durch die Aufgabe Rößners schnell wieder Geschichte wurde. Nun
standen Jörges und Lehmann vor der Aufgabe, noch mindestens 1,5 Punkte
zu holen, was angesichts der Brettstellungen unmöglich erschien. Jörges
mußte ums Remis kämpfen und Lehmann lehnte mit nur noch 15 Minuten
auf der Uhr ein wiederholtes Remisangebot seines Gegenspielers in absolut
ausgeglichener Stellung ab. Dieser wollte wohl nun schnell die Sache beenden
und forcierte die Abwicklung des Endspiels inklusive Scheinopfer und Generalabtausch.
Als dann schließlich nur noch je ein König, ein Springer und
ein Bauer Lehmanns auf dem Feld waren, passierte ihm genau das Gleiche,
was Rößner zwei Stunden vorher passiert war. Ohne jeden Grund
stellte er seinen Springer auf ein bedrohtes Feld und verlor ihn kampflos.
Der Rest der Partie war dann nur noch eine technische Abwicklung, wobei
Lehmann gezwungen war, die letzten 25 Züge in nur noch 4 verbliebenen
Minuten Bedenkzeit abwickeln zu müssen, was aber doch ohne große
Schwierigkeiten gelang. Nach 104 Zügen war das Drama beendet und der
glückliche Punktgewinn für Meiningen verbucht. Somit stand es
3,5 zu 3,5 und die Partie an Brett 1 mußte alles entscheiden.
Die Nerven der beiden Kontrahenten war nach nun mittlerweile fast 6
Stunden Bedenkzeit bis zum Zerreißen gespannt. Beide Spieler drohten
mit Bauernumwandlung zur Dame und durch das Vorhandensein von Türmen
waren stets auch gefährliche Schachgebote zu beachten. Zu guter Letzt
hatten dann beide nur noch zwei Minuten Bedenkzeit und ein leeres Brett.
Ihr Remisschluß beendete einen denkwürdigen Spieltag mit einem
gerechten 4:4 angesichts der beiderseitig verpaßten Chancen, in dem
der Sieger letztendlich Breitungen hieß, der sich ungeschlagen an
der Tabellenspitze absetzen konnte.
Lok belegt nun punktgleich mit dem Tabellenzweiten Schmalkalden Platz
drei der Tabelle. Eventuelle Aufstiegsambitionen sind nur noch mit einem
Straucheln von Breitungen zu verwirklichen.
Besser als Lok Meiningen I machte es die zweite Mannschaft, die sich mit einem Sieg im Lokalderby gegen Wasungen knapp mit 4,5:3,5 durchsetzen konnte, und sich nun erfreulicherweise punktgleich mit dem Tabellenzweiten auf Rang drei in der Bezirksklasse befindet, womit das Abstiegsgespenst bereits verjagt sein dürfte. Herzlichen Glückwunsch!
Peter Lehmann